Selbstbestimmte Mobilität ist ein Menschenrecht!
Wie kommen wir eigentlich von A nach B? Und wie kann es sein, dass es für viele ein derartig emotional aufgeladenes Thema ist, dass sie alles daran setzen dies auch für ihre Mitmenschen zu definieren?
Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern auf welchem Event bzw. Interview unser ehemaliger CEO dieses Statement gemacht hat, es hat sich aber tief in mein Langzeitgedächtnis eingebrannt:
“Das Auto ist sowas wie eine individuelle Unabhängigkeitserklärung!”
Wenn man diesen Satz erstmal sacken lässt, vielleicht aus verschiedenen Blickwinkeln be-trachtet dann wird klar, wie Recht er damit hatte. Zug, Bus, U-Bahn, S-Bahn… welche Form von öffentlichen Transportwegen wir auch wählen…ab dem Moment der Entscheidung zum Kauf eines Tickets sind wir nicht mehr unabhängig. Schon gar nicht, wenn man auf dem “platten Land” lebt (aber dazu später mehr).
Zum Automaten (oder Fahrer/in), auf einem Fahrplan die Abfahrtszeiten ermitteln, mit vie-len anderen Fahrgästen einsteigen, hoffen einen Sitzplatz zu finden, sämtliche Zwischen-stopps erleben und final an einer Station ankommen, die hoffentlich möglichst nah am Wunschziel liegt. Öffentliche Verkehrssysteme sind vor allen Dingen die ultimative De-finition des “goldenen Mittelwegs” und müssen möglichst viele Menschen durch unsere urbanen Zentren bewegen.
Hier schlägt das Herz dieser Industrie und wenn wir uns die öffentliche Debatte der letzten Monate anschauen, dann wird diese auch aus den Metropolen vorgegeben.
Damit wir uns nicht falsch verstehen… ich wohne seit knapp 11 Jahren in einer Stadt, die auf einem Drittel der Fläche Berlins 7 Millionen Menschen unterbringt. Der individuelle Verkehr wird hier vor allen Dingen über Roller abgebildet, von denen alleine hier 1.2 Millionen registriert sind. Aber ich fahre Bahn, Bus, Rad bzw. nutze das ultimative Micromobility Trend-Gadget: Schuhe!
Öffis in Taipeh sind günstig, schnell, sauber, bieten kostenloses Wifi und fahren von 6 bis 24 Uhr! Ich liebe diese Infrastruktur einfach und behaupte (vor allen Dingen, weil ich welt-weite Vergleichsmöglichkeiten habe), dass es sich um das beste öffentliche Verkehrssystem auf diesem Planeten handelt.
Aber würde ich auch nur ansatzweise darüber nachdenken, anderen diese Form der Mobilitätaufzudrängen? Nein, niemals!
Wir müssen aufpassen, dass die Diskussion, die vor allen Dingen in einem urbanen, gut gebildeten… ja ich möchte fast behaupten elitären Milieu abläuft, nicht als Blaupause für die Mobilität der Zukunft gilt. Denn genau dann werden wir große Teile der Bevölkerung von der Debatte ausschließen!
Die Menschen, die sich nicht auf Twitter über ihren 400mbit Breitbandanschluss beschweren, sondern sich fragen, ob überhaupt noch demnächst ein Bus an der einzigen Haltestelle im Dorf hält. Die, die nicht über die neueste Fintech-App ihre Bankgeschäfte abschließen, sondern hoffen, dass die lokale Sparkasse noch im nächsten Jahr besteht.
Es ist einfach sich über die individuellen Bedürfnisse anderer zu erheben, wenn man selbst eine nahezu perfekte Infrastruktur nutzen kann!
Mit dem Lastenrad zwischen Yoga-Stunde und Yogi-Teeladen innerhalb von 5 Minuten zu pendeln… das ist für breite Teile der Bevölkerung pure Zukunftsmusik.
“Same day delivery” von Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Gebrauchs… das ist nur in unseren gut ausgebauten urbanen Zentren möglich. Auf dem Land kommt max.einmal die Woche der rollende Tante Emma laden.
Die elitäre Diskussion zur Zukunft der Mobilität hat vor allen Dingen das Potenzial, viele Menschen abzuhängen. Und genau deshalb müssen wir diese viel differenzierter betrachten.
Mobilität wird nicht dadurch definiert was man fährt, sondern wo man wohnt, lebt und arbeitet!
Und genau hier schließt sich für mich der Kreis und ich mache ein dickes Ausrufezeichen hinter Dieter Zetsches Statement:
Das Automobil ist eine Art Unabhängigkeitserklärung!